von Roland Schroll
Wir schreiben das Jahr 1967: Nachdem die Rheinbraun AG die letzten Abbauarbeiten 1964 abgeschlossen hat, ist die Rekultivierung der ausgebeuteten Braunkohlegruben in Brühl-Heide in vollem Gange. Die verschiedenen, zusammenhängenden Tagebaulöcher zwischen Heide, der Kolonie Roddergrube und der Luxemburger Straße wurden 1965 kontrolliert mit Grundwasser und Zuflüssen aus anderen Seen geflutet, erste anspruchslose und schnell wachsende Bäume und Sträucher gepflanzt. Vielerorts reicht der Blick noch frei über die Wasserfläche des neuen Heider Bergsees mit seinen zahlreichen, charakteristischen Buchten.
Das Weltgeschehen ist wie immer – je nach Sichtweise – mal grau, mal bunt: Die dreijährige Kanzlerschaft Ludwig Erhards neigt sich dem Ende zu; ausgerechnet der Mann, dem viele das Wirtschaftswunder der ersten Nachkriegsjahre zuschreiben, scheitert an wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Landes. Geringe Lohnerhöhungen und Arbeitslosigkeit sind ein Problem. Sein Nachfolger wird Kurt Georg Kiesinger als Kanzler der ersten Großen Koalition. Viele Junge und Junggebliebene fühlen sich nicht repräsentiert und beginnen, sich zur 68er-Bewegung und zur außerparlamentarischen Opposition zusammenzufinden. Krawalle und Notstandsgesetze sollen folgen.
Die Beatles veröffentlichen ihr achtes Studioalbum „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ und noch im selben Jahr „Magical Mystery Tour“, die Rolling Stones ihre Alben „Between The Buttons“ und „Their Satanic Majesties Request“. Andere erfreuen sich an Freddy Quinns Langspielplatte „Das Lied der Heimat“.
Die Eintracht aus Braunschweig wird Deutscher Fußballmeister, gefolgt von dem Vorjahresmeister TSV 1860 München. Für den 1. FC Köln, immerhin Meister der Saison 1963/64, reicht es nur zu Platz 7. Junge Männer träumen von einer neuen BMW R 50/2 für rund 3.000 DM, junge Familien von einem VW Käfer 1300 für 5.200 DM oder zumindest einem Goggomobil für etwa 3.500 DM. Eine Urlaubsfahrt mit dem Auto nach Italien zeigt, dass „man es geschafft hat“, dass „man sich was leisten kann“.
Das Glück des „kleinen Mannes“ sind ein paar erholsame Sonnenstunden am neuen See. Doch sie sind rar gesät: Für manche gilt noch die 6-Tage-Woche und damit eine wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden. Dennoch sind die „wilden“ Badestellen am See zum Schwimmen und Schlauchbootfahren an schönen Tagen heiß begehrt, nicht nur bei Heidern.
Doch es droht Ungemach: Ab 1966 kommen Gerüchte auf, das zuständige Staatliche Forstamt Ville wolle die Nutzung des Sees reglementieren. Für Badegäste und Schwimmer entsteht 1967 das Freibad, doch das kostet Eintritt. Für 1968 soll noch ein Campingplatz angegliedert werden. Schon ab Anfang 1966 bewerben sich verschiedene Vereine um eigene Flächen, neben teils auswärtigen Anglern und Seglern auch Rudervereine mit wassersportlichen Ambitionen. Manche Heider und Brühler fragen sich zu dieser Zeit: „Wie kann ich hier weiter meinem Hobby frönen, meinen Platz an der Sonne sichern, wo kann ich demnächst mein Schlauch- oder Faltboot zu Wasser lassen?“
Und so finden sich einige am 25. April 1967 in Brühl-Heide zusammen, um ihre Ideen mit Gleichgesinnten zu besprechen. Treffpunkt ist das damals bekannte und beliebte Lokal Müller-Lichtenberg. Mit Andreas Krämer hat man einen gut vernetzten Fürsprecher: Er ist Abgeordneter des Kreistags und weiß zu berichten, dass das Forstamt Ville geneigt ist, interessierten Vereinen längerfristig größere Seegrundstücke zu verpachten. Das Engagement ist groß, die Wege kurz. Der Amtssitz des Forstamtes ist noch auf der Kaiserstraße 29 in Brühl und einer kleinen Abordnung gelingt es, einen Termin mit dem Behördenleiter Heribert Erdle zu arrangieren. Auch er weiß: Die beste Möglichkeit, das „wilde“ Bootfahren und Schwimmengehen vom Ufer aus zu unterbinden, ist, die Menschen vor Ort einzubinden, ihnen eine legale Möglichkeit zu geben, den See zu nutzen und damit auch Verantwortung für einen größeren Geländeabschnitt zu übernehmen. Schnell steht die grundsätzliche Zusage für einen Pachtvertrag, der eine wassersportliche Nutzung des Sees erlaubt. Was noch zum Glück fehlt, ist ein Rechtsträger, ein eingetragener Verein.
Die Männer der ersten Stunde schreiten zur Tat: Am 26. Mai 1967 gründen sie den „Verein der Wassersportfreunde Brühl-Heide“, kurz WFH. Versammlungsort ist wiederum das Lokal Müller-Lichtenberg. Zum ersten Vorstand wird gewählt:
Heinrich Krüger als 1. Vorsitzender,
Robert Riedel als 2. Vorsitzender,
Hans Thomas als Geschäftsführer und
Josef Bürger als Kassenwart.
Die Aufnahmegebühr wird auf 15 DM, der Jahresbeitrag auf 24 DM festgesetzt. Binnen weniger Tage finden sich 26 Mitglieder zusammen.
Mit bescheidenen finanziellen Mitteln, aber vielen Ideen und großem Enthusiasmus gehen die Gründungsmitglieder an die Umsetzung der ehrgeizigen Pläne. Zunächst gilt es, ein geeignetes Grundstück direkt am See zu finden. Ein Abschnitt am Nordufer des Heider Bergsees scheint dazu ideal: Kurze Wege von der Grubenstraße aus, ein direkter Zugang zum Schwimmerteil und ein längeres Uferstück für die Bootsnutzung. Man plant mit Weitsicht: Von der anfänglichen Idee eines einfachen Zugangs mit kleinem Holzsteg am See rückt man schnell ab und will mittelfristig etwas Größeres bauen. Wie groß, wusste damals noch niemand, weder der Vorstand, noch das Forstamt. Und nachdem der Platz einmal gefunden war, zeigte sich Herr Erdle großzügig: Was einmal verpachtet war, war vor „wilden“ Schwimmern und Bootsfahrern geschützt und diese Grünareale brauchte seine Behörde nicht mehr zu pflegen.
Die nächsten 12 Monate werden arbeitsreich: Junger Wald wird gerodet (jedoch nur soviel wie nötig), das Gelände terrassiert, das Ufer befestigt und mit einem Steg versehen. Eine Art Schutzhütte dient als Umkleidekabine. Durch die rege Bautätigkeit angelockt, melden sich immer mehr Mitglieder an. Der Steg wächst rasch auf 60 Meter, die Mitgliederzahl auf 60. Und an Christi Himmelfahrt 1968 ist es soweit: Unter großer Anteilnahme der Heider Bevölkerung feiern die Mitglieder und ihre Familien die Einweihung der Vereinsanlage.
Die Wünsche und die Arbeiten werden in der Folgezeit nicht weniger: Eine Toilettenanlage wird benötigt und ein Clubhaus gewünscht. Dabei gilt immer noch das Versprechen des 1. Vorsitzenden, kein Material zu verbauen, das nicht durch Aufnahmegebühren oder Mitgliedsbeiträge gedeckt ist. Hinzu kommt, dass an städtische Zuschüsse damals nicht zu denken ist, auch steht – anders als bei anderen Vereinen – kein finanzkräftiger Mäzen bereit. Oft wird das verbaut, was Mitglieder sowie Freunde und Bekannte zu Hause entbehren können. Und weil Maschinen zu teuer sind, muss vieles in mühevoller Handarbeit erledigt werden. Dennoch: Pünktlich zum Anpaddeln am 15. Mai 1970 kann das festlich geschmückte Clubheim genutzt werden.
Anfangs tat sich auf dem Wasser nicht viel. Schlauchund alte Faltboote beherrschten die Szene. Kaum einer war damals bereit und in der Lage, rund 1000 DM z.B. für einen Klepper Aerius auszugeben.
Das erste Fahrzeug, das an dem noch recht dürftigen Steg ankerte, war ein alter Holzkahn. Als Lastkahn oder beim Einrammen der Uferbefestigung leistete er gute
Dienste, sogar der Nikolaus nutze ihn einmal im Jahr. Später war er dann nur noch im Wege.
Die Wogen des Wirtschaftswunders erreichten dann auch die Wassersportfreunde. Auch Faltboote „made in Germany Ost“ wurden getauft – sie erhielten dann aber „westliche“ Namen wie Moby Dick. Auch wenn nur ein Boot getauft wurde, waren ein oder mehrere Fäßchen „zwingend vorgeschrieben“.
Zu tun gibt’s immer was: Im östlichen Teil der Vereinsanlage wird 1977 eine neue große Bootshalle fertiggestellt, die bei den Feiern zum 10-jährigen Bestehen am 7. Mai 1977 genutzt werden kann. Der Thekenbereich unterhalb der Clubterrasse wird mit durchsichtigen Schiebelementen vor Wind und Wetter geschützt. Ab 2004 entsteht mit kontinuierlichen Erweiterungen der Weststrand, insbesondere mit tatkräftiger Unterstützung der Vereinsjugend. Im Jahr 2005 wird der Sanitärbereich komplett saniert und neu gestaltet und 2007 folgt die Renovierung des Clubheims. 2015 ist dann die seitliche Abfahrt dran: Wurzeln hatten den alten Asphalt angehoben und Stolperfallen gebildet. Die neue Abfahrt ist breiter und ein solider, tiefer Unterbau erlaubt bei Bedarf ein Befahren mit Fahrzeugen. Und dank fleißiger Hände hat die Terrasse vor dem Eingang des Clubheims nun herausnehmbare Fensterelemente, die eine Nutzung des Areals auch in der Übergangszeit ermöglichen.
Aber gewiss werden dies nicht die letzten Arbeiten sein …
Weitere Infos zum ehemaligen Abbaugelände des Gruhlwerks
und der Roddergrube finden sie in unserer Festschrift zum 50 jährigen Jubiläum 2017.
WASSERSPORTFREUNDE BRÜHL-HEIDE E.V. SEIT 1967
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